Veranstaltung mit Alfons L. Ims

Am 31. Juli 2022 findet die Buchpräsentation »Eine ›asoziale‹ Pfälzer Familie« statt. Ich beteilige mich mit einem kurzen Vortrag und spreche mit dem Autor Alfons L. Ims über sein Buch. In diesem schreibt er über die Geschichte seiner eigenen Familie.

Kurz vor Beginn der Veranstaltung begleite ich Alfons Ims in Kaiserlautern in das Wohngebiet auf dem Kalkhofen, wo er 1949 geboren wurde. Diese Wohnsiedlung galt als der Ort in der Stadt, an dem vorwiegend arme und ausgegrenzte Menschen leben mussten. Sie bekamen durch die nationalsozialistischen Ämter häufig den Stempel »asozial« aufgedrückt und ihnen drohte Gewalt. So erging es auch der Familie von Alfons Ims. Er schildert auf der Veranstaltung und in seinem Buch, wie er sich auf die Suche nach den Spuren seiner Familie begab.

Die Fragen, die sich ihm dabei stellten, beschäftigen auch uns intensiv: Wie sollen wir mit den Akten umgehen, in denen die Wohlfahrts-, Jugend- und Gesundheitsämter oder die Polizei Menschen als »asozial«, »angeboren schwachsinnig« und »minderwertig« titulieren? Die Sichtweisen derjenigen, die so ausgeschlossenen und verfolgt wurden, fehlen darin meist ganz und sind auch nicht anderweitig überliefert. Manchmal konnten sie ihre Sicht gar nicht selbst festhalten, weil sie nicht richtig schreiben konnten – wie in der Familie von Alfons Ims anzutreffen. Umso wichtiger ist es, die Akten in allen Details auseinanderzunehmen, um sie hinterfragen zu können. Genau das versucht der Autor in seinem Buch »Eine ›asoziale‹ Pfälzer Familie. Wie in der NS-Zeit aus einem Sozialfall moralische Minderwertigkeit gemacht wurde«.

Buchpräsentation »Eine ›asoziale‹ Pfälzer Familie«
Buch »Eine ›asoziale‹ Pfälzer Familie« von Alfons L. Ims.
Bild: Llux Agentur & Verlag

Sein Einsatz, aufwendig die einzelnen Lebens- und Leidenswege seiner Familienmitglieder zu rekonstruieren, ist für unser Ausstellungsprojekt sehr wertvoll. Besonders eindrücklich macht er sichtbar, wie beinah seine ganze Familie unter den nationalsozialistischen Vorstellungen von vererbter »Minderwertigkeit« zwischen 1933 und 1945 leiden musste. Konkret trafen sie Zwangssterilisation, lange Anstalts- und Heimunterbringungen und Ausgrenzung – schon als Bewohner/-innen einer »Asozialensiedlung«; außerdem drohten zwei Kinder Opfer der Patient/-innenmorde zu werden. Nur durch Glück blieben sie von den Tötungen verschont. Auch wurde gegen keines der Familienmitglieder die »polizeiliche Vorbeugungshaft« erlassen, das heißt: niemand aus der Familie saß im Konzentrationslager – etwas, woran vielfach Verfolgung im Nationalsozialismus festgemacht wird. Demgegenüber wird die breite Verfolgung neben den Lagern leicht vergessen. Diese Schwierigkeit kam in der Diskussion zur Sprache. So bleibt die Frage: Wie lässt an die Betroffenen dieser Formen der nationalsozialistischen Verfolgungspolitik erinnern?

Mehr über solche Familiengeschichten zu erfahren, erschwert die bis heute existierende Scham massiv. Durch die damalige Ausgrenzung und Verfolgung sowie die lange verweigerte Anerkennung als Opfer wirkt das Unrecht noch bis heute nach. Wir versuchen deshalb mit unserem Ausstellungsprojekt, Menschen anzuregen, die Hinweise auf eine Verfolgung haben, sich damit zu befassen und sich gerne auch an uns zu wenden. Über unser Kontaktformular könnt ihr uns erreichen.

Oliver Gaida