Theateraufführung Harald Hahn – Monolog mit meinem »asozialen« Großvater

Lange Jahre seines Lebens bleibt für den Theatermacher und Pädagogen Harald Hahn die Geschichte seiner Familie im Dunkeln. Schweigen prägt die Erinnerung an die Zeit des 2. Weltkriegs. Hahn entschließt sich, dieses zu durchbrechen und sich aktiv mit dem eigenen familiären Hintergrund auseinanderzusetzen.

Am 6. und 7. Juli 2022 führt Harald Hahn sein Theaterstück »Monolog mit meinem ›asozialen‹ Großvater« in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg auf. Dabei könnte das Publikum auf den ersten Blick kaum unterschiedlicher sein: Zur Abendveranstaltung kommen zahlreiche interessierte Erwachsene und Jugendliche, am nächsten Vormittag versammeln sich Schüler/-innen einer Mittelschule im Bildungszentrum der Gedenkstätte.

Theaterstück »Monolog mit meinem ›asozialen‹ Großvater« von Harald Hahn
Harald Hahn mit einem Fotos seines Großvaters im Theaterstück »Monolog mit meinem ›asozialen‹ Großvater«. Foto: KZ-Gedenkstätte Flossenbürg

In dem Erzähltheaterstück spricht Hahn mit seinem verstorbenen Großvater Anton Knödler, der als Häftling in Buchenwald inhaftiert war. Er spricht über das Familiengeheimnis, die Scham und die Zeit im Konzentrationslager. Ausgehend von den Monologen schlüpft Harald Hahn in die Rolle eines SS-Mannes und verwandelt sich zurück in das Kind, das er einst war. In einer Rolle als schwäbischer Hausmeister kommentiert Hahn das Geschehen und schafft so die Verbindung zwischen Geschichte, Schauspieler und den vermeintlich unbeteiligten Zuschauer/-innen. Denn die aufgeworfenen Fragen wollen und sollen alle Anwesenden mit einbeziehen. Dabei deckt Hahn unbequeme Kontinuitäten auf, die bis in die Gegenwart hineinwirken: Was richten Schuld, Scham und Schweigen über Generationen in Familien an? Und wie strukturieren Klasse und Herkunft nicht nur das Erinnern – sondern das Leben in der Gesellschaft der Gegenwart?

Theaterstück »Monolog mit meinem ›asozialen‹ Großvater« von Harald Hahn
Theaterstück »Monolog mit meinem ›asozialen‹ Großvater« von Harald Hahn. Foto: KZ-Gedenkstätte Flossenbürg

Gebannt verfolgt das Publikum der Aufführung. Die Fragen in der anschließenden Diskussion sind so vielseitig wie die Zuschauer/-innen selbst, einige berichten von dem Schweigen und dem Stigma in den eigenen Familien. Und auch jene, die sich nicht trauen, vor allen die Hand zu heben, sind berührt: Jugendliche mit Fluchterfahrung, die sich selbst schon intensiv mit Erinnerungskultur auseinandergesetzt und auf der Theaterbühne verarbeitet haben, kommen mit Harald Hahn ins Gespräch, erzählen von der Begeisterung für die Bühne und das Schauspielern aber auch von eigenen Erfahrungen des Ausgegrenzt-werdens. Andere verarbeiten das Gesehene stiller, werden nachdenklich und ruhig. Zum Nachdenken hat das Stück alle angeregt. Theater, so scheint es, ist ein verbindendes Element, eine Möglichkeit, auch komplexe Themeninhalte jeder und jedem nahe zu bringen – unabhängig von Alter oder Herkunft.

Mehr über das Theaterstück und die Hintergründe könnt ihr hier erfahren.

Laura Lopez Mras