Mascha Krink kennt ihren Großvater, Herbert Böhm, nur aus Erzählungen. In den 1990er Jahren findet sie heraus, dass ihr Großvater unter der Kategorie »asozial« verfolgt und ermordet wurde. Gemeinsam setzt sie sich gemeinsam mit ihrem Sohn Ludwig Dohrmann auf ganz besondere Weise mit ihrer Familiengeschichte auseinander.
Mutter und Sohn recherchieren gemeinsam die Geschichte von Herbert Böhm, ihrem Groß- bzw. Urgroßvater. Dieser verliert in Folge der Weltwirtschaftskrise 1931 sein Unternehmen. Er möchte mit seiner Familie zurück in seinen Heimatort, Trebnitz in Schlesien (heute Trzebnica in Polen). Zwischen ihrem Wohnort in Baden-Württemberg und Trebnitz liegen fast 1.000 Kilometer. Herbert Böhm und seine Frau Therese machen sich mit ihren zwei kleinen Kindern zu Fuß auf den Weg, wie hunderttausende andere Deutsche in diesen Notjahren. Auf halber Strecke, in Zwickau in Sachsen, findet die Familie Unterkunft in einer Notwohnung. Herbert Böhm findet nur selten Arbeit, die mittlerweile neunköpfige Familie ist oft auf Wohlfahrt angewiesen. Damit geraten sie in das Visier der Nationalsozialisten. 1939 entzieht das Amtsgericht Zwickau Theresa und Herbert das Sorgerecht für ihre sieben Kinder. Beide werden im Jahr darauf in die Arbeitsanstalt Lichtenstein eingewiesen.
Was danach mit Herbert Böhm und seiner Familie geschieht, rekonstruieren Mascha Krink und Ludwig Dohrmann in einem Podcast, »Auf den Spuren unseres als ›asozial‹ stigmatisierten Grosvaters«. Gemeinsam mit dem Dramaturgen Dirk Laucke entstehen fünf Folgen, in denen sie Historikerinnen und Historiker treffen und tiefgreifende Einblicke in die zeitgenössischen gesellschaftlichen Umstände gewinnen.
»Unsere Recherche wirft ein Licht auf die oft übersehenen oder missverstandenen Aspekte der Geschichte und bietet eine differenzierte Betrachtung der Zuschreibung „asozial“, die Menschen auch heute noch ausgrenzt und stigmatisiert. Dieser Podcast ist ein Erinnerungsversuch an unseren Großvater und Urgroßvater, und an alle Menschen die unter diesen ungerechten Zuschreibungen gelitten haben.«
Der Podcast ist eine sehr persönliche Spurensuche, die von den unterschiedlichen Perspektiven und Fragen von Mutter und Sohn geleitet wird. Für Mascha Krink ist dieses Projekt nicht nur eine Auseinandersetzung mit ihrer Familiengeschichte, sondern auch ein Appell an die Gegenwart:
»Es bedeutet mir unglaublich viel, dass mein Sohn diesen Podcast mit mir zusammen gemacht hat, da es mir wichtig ist, diese Geschichte zu erzählen und ihr gesellschaftliche Relevanz zu verleihen. Ich wünsche mir, dass die Menschen nicht mehr beschämt zu Boden schauen, sondern erkennen, dass Armut kein Grund zur Scham ist. Dieses Stigma der ›Asozialen‹ reicht bis in unsere heutige Zeit, und es ärgert mich sehr, dass es immer noch existiert.«
Weiterlesen:
Mascha Krink: Die NS-Ideologie in Sachen Familienpolitik – am Beispiel meiner Großeltern. In: Frank Nonnenmacher (Hg.): Die Nazis nannten sie »Asoziale« und »Berufsverbrecher«. Frankfurt am Main 2024.