1933–1945: Verfolgung

Unrecht unter dem Deckmantel der »Gefahrenabwehr«

Wenige Wochen nach der Regierungsübernahme durch Adolf Hitler 1933 hebeln die Nationalsozialisten mit der Verordnung »zum Schutz von Volk und Staat« (Reichstagsbrandverordnung) zentrale Grundrechte aus. Viele derjenigen, die in den Folgejahren als »Asoziale« oder »Berufsverbrecher« verfolgt werden, nehmen dies aber nicht als einschneidende Veränderung wahr: Ämter und Polizei hatten vielen von ihnen bereits zuvor ein selbstbestimmtes Leben verweigert. Dabei spielten schon seit dem Kaiserreich »rassenhygienische« und kriminalbiologische Theorien wie zum Beispiel jene des »geborenen Verbrechers« eine Rolle. Nach 1933 werden diese Vorstellungen vollends zu Grundlagen der Wohlfahrt, des Gesundheitswesens und der Kriminalistik. Die Polizei erringt einen enormen Machtzuwachs gegenüber den Justizbehörden. Ab Januar 1934 kann sie Personen ohne Gerichtsurteil in »Vorbeugungshaft« nehmen und als »Gewohnheitsverbrecher« in Konzentrationslager verschleppen.

Im Mittelpunkt der nationalsozialistischen Weltanschauung steht die »Volksgemeinschaft«. Dieser sollen nur »deutsche Volksgenossen« angehören, die sich dem Führerprinzip unterzuordnen haben. Alle anderen gelten als »Gemeinschaftsfremde« oder »Reichsfeinde« und damit als Gefahr. Ins Fadenkreuz des Regimes geraten auch Menschen aufgrund ihrer sozialen Herkunft oder eines vermeintlich abweichenden Verhaltens. Die Nationalsozialisten sind überzeugt, dass angebliche »Minderwertigkeit« und Kriminalität vererbbar seien. Sie schikanieren arme Familien, unangepasste Jugendliche und Menschen, die beispielsweise nicht oder verspätet zur Arbeit erscheinen. Das »Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« ermöglicht »Erbgesundheitsgerichten« zudem, Zwangssterilisationen anzuordnen. Viele Menschen, die nicht den Vorstellungen der deutschen »Volksgemeinschaft« entsprechen, werden aus ihrem sozialen Umfeld gerissen und in Arbeitshäusern oder Für­sorgeanstalten untergebracht.

Im September 1933 durchkämmen Polizei und SA tagelang Kneipen, Nachtasyle sowie öffentliche Orte und nehmen Personen ohne festen Wohnsitz fest. Zwar war Wohnungslosigkeit bereits seit langem kriminalisiert worden, doch stellt diese Razzia ein neues Ausmaß dar: Es handelt sich um die erste zentral organisierte Massenverhaftungsaktion der Nationalsozialisten. Die Wohnungslosen sind ihr schutzlos ausgeliefert. Die begleitende Pressekampagne zeichnet das Bild vermeintlich »berufsmäßiger Bettler«, die sich an Almosen bereichern und nicht tatsächlich bedürftig seien. Das mache sie zu »Schädlingen«, von denen die »Volksgemeinschaft« befreit werden müsse.

Die meisten Festgenommenen kommen nach wenigen Wochen frei. Andere werden anschließend in Arbeitshäuser, Versorgungsheime und (teils noch provisorische) Konzentrationslager verschleppt.


Zentralisierung, Systematisierung und Ausweitung der Verfolgung

Ab Anfang 1937 geht der nationalsozialistische Staats- und Parteiapparat systematischer bei der Verfolgung von »Asozialen« und »Berufsverbrechern« vor. Das Reichsinnenministerium veröffentlicht im Dezember 1937 dann den »Grundlegenden Erlaß über die vorbeugende Verbrechensbekämpfung durch die Polizei«.

Damit liegt erstmals eine reichseinheitliche Regelung der »Vorbeugungshaft« vor. Die Kripo kann diese nun nicht nur gegen Personen verhängen, die sie als »Berufs- oder Gewohnheitsverbrecher« definiert, sondern auch gegen vermeintlich »Asoziale«. Ziel systematischer Verhaftungen werden beispielsweise Wohnungslose, Wandergewerbetreibende, Suchtkranke und Frauen, die als Prostituierte arbeiten oder von den Behörden für solche gehalten werden. Ohne Gerichtsverfahren überstellt die Kripo die Betroffenen in Konzentrationslager. Durch Massenverhaftungen steigt die Zahl der Häftlinge dort sprunghaft an.

Das zweite Instrument ist die »polizeiliche planmäßige Überwachung«. Menschen geraten so unter die Kontrolle der Kripo, ohne dass es eines richterlichen Beschlusses bedarf. Sie müssen sich regelmäßig bei der Polizei oder dem Gesundheitsamt melden, dürfen nachts die Wohnung nicht verlassen oder zu bestimmten Personen keinen Kontakt mehr aufnehmen. Die »polizeiliche planmäßige Überwachung« trifft vor allem Frauen, denen die Nationalsozialisten einen »liederlichen Lebenswandel« vorwerfen.

Der Chef der deutschen Polizei Reichsführer SS Heinrich Himmler legt bereits im Februar 1937 Richtlinien zur Verhaftung von 2.000 »Berufs- und Gewohnheitsverbrechern sowie gewohnheitsmäßigen Sittlichkeitsverbrechern« fest. Am 9. März 1937 führt die Kripo diese Massenverhaftungen (»März-Aktion«) durch. Die Verhafteten werden in Konzentrationslager verschleppt.

Im Januar 1938 gibt Himmler auch der Gestapo Handhabe zu Festnahmen unter dem Vorwand der Kriminalprävention. Sie kann das von ihr genutzte Instrument der »Schutzhaft« nun auch gegen vermeintlich »Asoziale« anwenden. Im Visier sind unter anderem Personen, die angebotene Arbeitsplätze abgelehnt oder gekündigt haben. Für Himmler handelt es sich bei ihnen um erblich belastete »Arbeitsscheue«, die Stellen stets nur zur Tarnung annähmen. Verblieben sie auf dem Arbeitsmarkt, könne man sie nicht ausfindig machen. Zur »Bereinigung« ordnet er unangekündigte Massenrazzien und die Verschleppung in Konzentrationslager an.

Im April 1938 verhaftet die Gestapo 2.000 angeblich »Arbeitsscheue« und verschleppt sie in das KZ Buchenwald. Manche werden sogar an ihrem Arbeitsplatz verhaftet und verstehen überhaupt nicht, was ihnen widerfährt. Vom 13. bis 18. Juni wird die reichsweite Verhaftungswelle unter dem Namen »Aktion Arbeitsscheu Reich« durch die Kripo fortgeführt. Mit der Vorgabe, 200 Personen pro Leitstellenbezirk der Kripo festzunehmen, verhaften die Polizisten weit mehr als die vorgegebene Quote: Insgesamt inhaftieren sie mehr als 10.000 Menschen, die sie für »asozial« halten. Unter den Verhafteten sind neben Unterhaltssäumigen, Wohnungslosen und (vermeintlichen) Prostituierten auch zahlreiche Juden und Sinti. Allein in Berlin werden in diesen Tagen mehr als 1.000 Juden unter fadenscheinigen Vorwürfen festgenommen und umgehend in die Konzentrationslager Buchenwald, Dachau und Sachsenhausen deportiert. In den Konzentrationslagern bilden die Festgenommenen kurzzeitig die größte Häftlingsgruppe – erkennbar an ihnen zugewiesenen Markierungen wie dem schwarzen Winkel.

Ein weiterer Schauplatz der nationalsozialistischen Verfolgung sind die »Asozialensiedlungen«. Diese errichten die Kommunen unter Eigenregie meist am Rand von Großstädten. Ende der 1930er Jahre sind die Siedlungen überbelegt. Anstatt Familien in prekären Verhältnissen Unterstützung durch die Wohlfahrt zukommen zu lassen, zwingen die Nationalsozialisten sie, in diese Siedlungen zu ziehen.

Die Nationalsozialisten sind von der Vererbbarkeit angeblicher »Asozialität« überzeugt. Das Erfassen, Einsperren, Kontrollieren und »Zerschlagen« vermeintlich »asozialer Großfamilien« wird zu einem zentralen Anliegen von Rassenhygieniker/-innen. Sie führen zu diesem Zweck auch »Durchmusterungen« durch. In den Siedlungen sehen sich die Familien der Kontrolle des Wohlfahrtamtes und der Polizei ausgesetzt – die Aufsicht reicht bis hin zur Überwachung der allgemeinen Nachtruhe. Wer sich nicht an die Vorgaben hält, wird bestraft. Bei den Siedlungen handelt es sich nicht um geschlossene Lager, aber um Zwangseinrichtungen. Rassenhygieniker/-innen, Behörden und Polizei entscheiden, ob die Bewohner/-innen geschlossenen Anstalten und Konzentrationslagern überstellt werden oder ob ihnen Wohnraum in der Stadt in Aussicht gestellt wird.

Nach dem Einmarsch der Wehrmacht und der Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich im März 1938 beginnt auch hier die Verfolgung. Die Behörden beginnen unverzüglich mit Deportationen und Lagereinweisungen. 1940 fordert der neue Reichsstatthalter und Gauleiter von Wien, Baldur von Schirach, ein radikaleres Vorgehen. Vermutlich im Nachgang von Fußballkrawallen, bei denen sein Wagen beschädigt worden war, ordnet er an, »die asozialen Elemente Wiens« »festzustellen«. 500 Personen seien kurzfristig zu verhaften.

Kurz darauf etabliert sich eine österreichische Besonderheit: In Wien bilden NSDAP, Kripo, Arbeitsamt und zentrale Stellen der Wiener Gemeindeverwaltung ab 1941 eine »Asozialenkommission«. Sie beschleunigt Einweisungen und entscheidet über Einzelfälle – ohne dass jemals eine betroffene Person gehört wird. Anfänglich beschäftigt sich die Kommission hauptsächlich mit der Einweisung von Männern, bis die Gestapo deren Verfolgung beansprucht. Danach geraten Frauen ins Visier, gegen die die Kriminalpolizei auch Straßenrazzien durchführt. Den Vorsitz der Kommission haben stets Ärzte inne, allesamt Vertreter der »Rassenhygiene«. Zuletzt bekleidet Ernst Illing dieses Amt, der 1946 wegen seiner Rolle bei der Kinder-»Euthanasie« hingerichtet wird. Neben den Ärzten kommt Fürsorgerinnen eine wichtige Rolle zu: Sie entscheiden mit, welche Frauen als »asozial« gelten.

563 Männer und 651 Frauen werden in Wien aufgrund von Anträgen der »Asozialenkommission« in Anstalten und Konzentrationslager verschleppt. Durch die ausgestellten Bescheide vermittelt die Kommission ihrem Handeln den Anschein von Legalität. Für die Betroffenen bedeuten die Einweisungen Zwangsarbeit, körperliche Übergriffe bis zur Folter und oft tödliche Lagerhaft.


Radikalisierung und Vernichtung

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 richten die Nationalsozialisten die ideologischen Ziele der Verbrechensbekämpfung neu aus. Der Terror von Lagereinweisungen wird weniger mit der Gefährdung der »Volksgemeinschaft« begründet; immer häufiger ist nun von deren Schädigung die Rede – und von der »Ausmerzung der Volksschädlinge«. Die Bestimmungen zur Vorbeugungshaft werden erneut ausgeweitet. Sie kann nun gegen Frauen wegen vermeintlicher Prostitution verhängt werden, sobald sie auch nur gegen Auflagen der Gesundheitsämter verstoßen.  Zudem droht Jugendlichen Lagerhaft, deren Kontrolle dem Regime im Kriegsalltag erschwert erscheint. Ab 1940 lässt das Reichssicherheitshauptamt drei »Jugendschutzlager« errichten – Konzentrationslager für widerständige, unangepasste oder angeblich »schwachsinnige« Jugendliche. Hier unterzieht sie die Rassenhygienische Forschungsstelle Zwangsuntersuchungen und verfasst »Prognosen«. Viele werden zwangssterilisiert. Die Lager unterstehen der Weiblichen Kriminalpolizei unter Führung der ranghöchsten deutschen Polizistin Friederike Wieking.

Während die Wehrmacht große Teile Europas unter Besatzung hält, weiten die Nationalsozialisten den ›Krieg nach innen‹ weiter aus. Ab 1941 beginnen sie mit der gezielten Tötung von Lagerhäftlingen durch Giftgas. Ab 1942 übergibt die Justiz zudem tausende Insass/-innen deutscher Gefängnisse dem SS- und Polizeiapparat zur Überstellung in Konzentrationslager. Mit dem näher rückenden Kriegsende verschlechtern sich die Zustände in den Lagern dramatisch: Zahlreiche Häftlinge sterben an Krankheiten und Unterversorgung. Erst der militärische Sieg der Alliierten über das Deutsche Reich beendet 1945 den Terror. Die Gesamtzahl jener, die mittels Polizeilicher Vorbeugungshaft in Konzentrationslager eingewiesen wurden, wird auf mindestens 80.000 geschätzt. Wie viele von ihnen überlebt haben, ist unbekannt.

Ab Frühjahr 1941 werden tausende KZ-Häftlinge Opfer eines bereits laufenden Massenverbrechens, der »Euthanasie-Morde«. Angehörige der Ärztekommissionen, die schon seit Anfang 1940 »Selektionen« an Anstaltsbewohner/-innen und Menschen mit Behinderungen vornehmen, reisen nun in die Konzentrationslager. Mit den jeweiligen Lagerleitungen bestimmen sie Häftlinge zur Ermordung mittels Kohlenmonoxidgas in den »Euthanasie«-Tötungsanstalten Bernburg, Sonnenstein und Hartheim. Zur Verschleppung in den Tod werden vor allem Gefangene ausgesucht, die die Nationalsozialisten für »nicht mehr arbeitsfähig« halten. Zunehmend befinden sich darunter auch Angehörige von Häftlingsgruppen, die den Nationalsozialisten besonders missliebig sind, wie Juden oder »Asoziale«. 1942 verfügt das Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt jedoch einen Runderlass, aus dem strengere Selektionskriterien hervorgingen. Einziger Grund dafür ist der erhöhte Bedarf an Arbeitskräften in der Rüstungsindustrie.

Der Massenmord, dem bis zu 20.000 Personen zum Opfer fallen, trägt den Tarnnamen »14f13«.

Mit Andauern des Krieges steigen die Gefallenenzahlen bei der Wehrmacht. Dies verstärkt bei der nationalsozialistischen Führung die ohnehin bestehende Furcht vor einer erbbiologischen Schwächung der »Volksgemeinschaft«. Hitler verlangt vor diesem Hintergrund wiederholt und öffentlich, dass Verbrecher nicht »konserviert« werden dürfen. Der im August 1942 ernannte neue Reichsjustizminister Otto Thierack einigt sich daraufhin mit dem Chef der deutschen Polizei Reichsführer SS Heinrich Himmler darauf, dass sämtliche Sicherungsverwahrte, »asoziale Elemente« und andere Gefangenengruppen aus den Justizvollzugsanstalten »an den Reichsführer SS zur Vernichtung durch Arbeit ausgeliefert werden.« In den Folgemonaten überstellen die Justizbehörden bis zu 20.000 Gefangene und Sicherungsverwahrte in Konzentrationslager. Dort leiden und sterben tausende unter der Schwerstarbeit und der mangelhaften Versorgung.


Die europäische Dimension – vier Schlaglichter

Während des Zweiten Weltkrieges besetzen deutsche Militär-, SS- und Polizeiverbände große Teile Europas. Sie führen – vor allem in Osteuropa – einen Vernichtungsfeldzug gegen die Zivilbevölkerung und ermorden Millionen Menschen, darunter sechs Millionen Juden und Jüdinnen sowie hunderttausende Roma und Sinti. An vielen Orten zwischen Nordsee und Schwarzem Meer gehen die deutschen Besatzer auch gegen Menschen vor, die sie für »Gewohnheitsverbrecher«, »Berufsverbrecher« und »Asoziale« halten.

Am 1. September 1939 greift die Wehrmacht Polen an. Nach der Niederlage der polnischen Armee fällt der Westen des Landes an das Deutsche Reich, der Osten an die Sowjetunion. Die deutschen Besatzer vertreiben hunderttausende polnische Staatsbürger/-innen und begehen erste Massenmorde.

Am 10. Mai 1940 beginnen Polizeikräfte unter dem Kommandanten der Sicherheitspolizei und des SD in Krakau, Bruno Streckenbach, erneut mit umfassenden Erschießungen. Die Besatzer geben diesen Morden die Bezeichnung »Außerordentliche Befriedungsaktion«. Nach den Worten Streckenbachs richtet diese sich gegen den polnischen Widerstand und gegen »Verbrecherelemente«. Auf einer Polizeisitzung Ende Mai 1940 erläutert er seine Pläne, »3.000 Berufsverbrecher (…) der Liquidation zuzuführen«, um Platz in den Gefängnissen zu schaffen. Etwa zur gleichen Zeit führt die deutsche Führung ein gegen die polnische Bevölkerung gerichtetes Sonderrecht ein. Die ergänzende »Polenstrafrechtsverordnung« weitet ab 1941 die Möglichkeiten zur Verhängung von Strafen – Todesstrafe und Verschleppung ins Lager –  drastisch aus. 

Ab 1942 droht auch polnischen Kindern und Jugendlichen Lagerhaft. In der annektierten Stadt Łódź errichtet die deutsche Verwaltung eines der drei Jugend-Konzentrationslager im Deutschen Reich, das »Polen-Jugendverwahrlager Litzmannstadt«. Zur Einweisung genügt der Polizei der Vorwurf des unerlaubten Erwerbs von Lebensmittelkarten. Aber auch Kinder ermordeter Widerstandskämpfer/-innen werden hierher verschleppt. Viele sterben durch Unterversorgung und Krankheiten. Die Regelungen zur Lagereinweisung entwickelt Hans Muthesius, Referatsleiter im Reichsinnenministerium, später Schlüsselfigur der Sozialreformen in der frühen Bundesrepublik.

Die Nationalsozialisten betrachten die kommunistische Sowjetunion als ihren weltanschaulichen Hauptgegner, trotz des 1939 geschlossenen Nichtangriffspaktes zwischen beiden Regimen. Im »Antibolschewismus« der deutschen Führung verbinden sich extremer Antikommunismus und Judenhass. Im März 1941 bezeichnet Hitler den Bolschewismus in einer Geheimrede als »asoziales Verbrechertum«. Ab Juni 1941 überfallen drei Millionen deutsche Soldaten die Sowjetunion, ihnen folgen Verbände der SS und Polizei. Es handelt sich um einen erklärten Vernichtungskrieg. Zunächst werden gezielt Funktionäre der kommunistischen Partei und jüdische Männer erschossen, bald darauf ganze jüdische Gemeinden. Die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD berichten regelmäßig und detailliert über den Umfang der Morde nach Berlin. In ihren Aufstellungen erscheinen immer wieder auch »Asoziale« oder »Berufsverbrecher« unter den Opfern von Massen- oder Einzelerschießungen. Lokale Helfer/-innen unterstützen die Deutschen dabei.

Nach dem Sieg der Wehrmacht über Frankreich im Juni 1940 fällt der Norden des Landes unter deutsche Besatzung, 1942 auch der Süden. Die südfranzösische Stadt Marseille und insbesondere das historische Viertel am Alten Hafen, in dem viele ärmere Familien wohnen und zahlreiche Juden und Jüdinnen Zuflucht finden, gelten Hitler und Himmler als Hort des Widerstandes und »Saustall Frankreichs«. 1943 lässt die SS das Stadtquartier räumen und Haus für Haus sprengen. Einmal mehr überlagern sich politische, soziale und rassistische Verfolgungsmotive. Die Mehrzahl der 20.000 Ausquartierten findet sich in einem Übergangslager wieder. Etwa 800 Juden und Jüdinnen verschleppt die SS in das Vernichtungslager Sobibor im besetzten Polen. Weitere 800 Personen verbringen die Deutschen in die Konzentrationslager Sachsenhausen und Mauthausen. Ihnen werfen die Nationalsozialisten Widerständigkeit vor.

Im April 1940 besetzt die Wehrmacht Dänemark. Die Nationalsozialisten geben an, hier ein »Musterprotektorat« errichten zu wollen, schließlich halten sie die dänische Bevölkerung für »Germanen«. Die Bevölkerung begehrt zunächst kaum, dann aber immer offener gegen die Besatzung auf. Am 2. Oktober 1943 verhindern Angehörige des Widerstands die Deportation von 7.000 Jüdinnen und Juden und bringen die Geretteten mit Booten nach Schweden. Unter Protest der dänischen Regierung verschleppen die Deutschen weitere 500 Jüdinnen und Juden in das Konzentrationslager Theresienstadt. Auf Sabotageakte aus dem Untergrund reagieren die Gestapo und der SD mit gezieltem Terror, sprengen Privathäuser und verhängen eine Ausgangssperre. Dänische Arbeiter/-innen reagieren auf die Aktionen der Besatzer mit tagelangen Streiks und Straßenblockaden. 1944 führen die Gestapo und Kripo gezielte und anhand von kriminalpolizeilichen Karteien vorbereitete Razzien in Kopenhagener Cafés und Gaststätten durch. Sie verhaften mehrere hundert Männer, die sie als »Asoziale« oder »Gewohnheitsverbrecher« bezeichnen. Etliche verschleppen sie in das Internierungslager Frøslev an der deutsch-dänischen Grenze, mindestens 420 Männer verbringen sie bis Januar 1945 in das Konzentrationslager Neuengamme.