Franziska V. (en)

Franziska V. (en)

geboren 1927 – Todesdatum unbekannt

Franziska V. liebt es, im Vergnügungspark Prater oder in Lokalen im 2. Wiener Bezirk herumzuziehen. Sie möchte sich mit Gleichaltrigen vergnügen. Den Drill der Hitlerjugend oder des Bund Deutscher Mädel lehnt sie ab. Sie ist ein »Schlurf-Mädel«. »Schlurf« steht im Österreichischen für Müßiggang: es ruhig angehen lassen, Spaß haben, nachts um die Häuser ziehen, nicht so zu sein wie alle anderen.

»Schlurfmädel« gegen die Nazis

Der Liedtext, den Franziska V. in ein Heft schreibt, drückt das aus:

»Machts euch um uns doch keine Sorgen,
denn wir Schlurfweiber sterben net aus.
Steckens uns auch in a Anstalt,
mir kumman ihnen trotzdem wieder aus.
Denn pfeiff ma ihnen auf die Arbeit
und kumman nächtelang net z’haus,
drum Weiber lasst euch net hobeln,
denn sonst ist’s mit eurer Freiheit aus

Schlurflied aus Franziskas Akte im Wanderhof Bischofsried.
Quelle: Institut für Zeitgeschichte München – Berlin, ED 728-2880-33

Doch bei ihren Eltern stößt die Lebensweise von Franziska V. auf Ablehnung. Sie kommt oft spät nach Hause und hat kein Interesse an einer festen Arbeit. Hilfesuchend wendet sich ihre Mutter im Frühjahr 1942 an das Wiener Jugendamt und spricht in der »Erziehungsberatung« vor. Die Behörden handeln schnell: Eine Woche später wird Franziska V. in einem Erziehungsheim untergebracht, »Zur Beobachtung«, heißt es. Weitere Aufenthalte in anderen Erziehungsanstalten folgen.

Ein Jahr später vermittelt das Arbeitsamt Franziska als Haushalthilfe. Für kurze Zeit darf sie zurück zu ihren Eltern. »Wegen verschiedener Diebstähle« wird sie laut Akten entlassen. Das Amtsgericht Wien beschließt daraufhin die endgültige Fürsorgeerziehung. Sie kommt wieder in ein Heim. Im Gutachten der Erziehungsberaterin heißt es, sie sei »arbeitsscheu« und »sittlich verwahrlost«.

Im Juli 1943 wird sie auf Veranlassung des Mediziners Ernst Illing von der Städtischen Nervenklinik für Kinder in Wien in den Wanderhof Bischofsried nach Oberbayern gebracht. Die Medizinerin Dr. Hell führt dort ein Gespräch mit Franziska V. und schreibt in ihrer Beurteilung, sie »durchseuche die Anstalt mit dem ›Schlurfgeist‹«. Die Ärztin empfiehlt, sie mit »eiserner Härte und Schärfe« durch Arbeit zu erziehen.

Franziska V. versucht mehrfach aus Bischofsried zu fliehen. Nach einer gescheiterten Flucht im Juli 1944 wird sie im Wanderhof »isoliert«. Daraufhin versucht sie, sich das Leben zu nehmen. Ihre Eltern schreiben nach Bischofsried mit der Bitte, die Tochter zu entlassen oder in eine Anstalt in Wien zurückzuverlegen. Doch die Bitte der Eltern wird abgelehnt. Nach einem Jahr in Bischofsried verlegt das Gaujugendamt Wien Franziska V. nach Norddeutschland in das »Jugendschutzlager« Uckermark.

Wie lange sie in dem Jugend-KZ bleiben muss, ist nicht bekannt. Im Juli 1945 ist Franziska V. zurück in Wien. Zu diesem Zeitpunkt ist sie 18 Jahre alt. Über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt.

Postkarte vom Prater in Wien
Postkarte vom Prater in Wien.
Quelle: Wien Museum Inv.-Nr. 205280, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/38632/)

* Name geändert